From: Christian Adensamer
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Subject: ELGA
ELGA:
elektronischer Gesundheitsbegleiter
Vom Wert
des Vertrauens
Ich nehme
die Veranstaltung "hot.doc" zum Anlass gesellschaftspolitische
anthropologische und philosophische Fragen in ihren Zusammenhängen zu
beleuchten.
Unbestritten
nahm die Medizin ihren Ausgang vom Priestertum. Heilung ist auch heute noch in
so genannten unterentwickelten Ländern mit religiösen Riten begleitet. Auch bei
uns ist ritualisiertes Handeln in der Medizin
wichtig, wenn wir unseren Patienten nahe treten, sie anfassen, untersuchen,
examinieren um Angst abzubauen. Unsere Begegnungskultur wird ritualisiert und
oft nicht einmal bewusst.
Nur ein
Nichtmediziner kann einem Arzt unterstellen, daß er Spass an der Untersuchung der Brust hat und deshalb nicht
extra honoriert gehört. Daß gerade in sensiblen
Bereichen, wo Berührung Verletzung (zumindest der Intimsphäre) werden kann und
daher einen höheren Aufwand (2.Person) erfordert wird von Laien noch dazu
männlichen nicht gesehen. Solcherart zieht man ärztliche Leistung, die in Attitutes, Knowledge und Skills besteht auf ein Niveau, von dem ich mir für die
Menschen nicht wünsche, dass die Ärzte dort jemals landen.
Vieles hat
der Ärzteschaft in den 3 Gebieten (Haltung, Wissen und Fertigkeiten) geschadet.
Natürlich auch Fehlverhalten aus eigenen Reihen. Vielleicht ist der
Selbstreinigungsmechanismus unzureichend. Schließlich jedoch ist unbestritten, daß die Gesundheitspolitik in unserem Land mit der
Vertrags- und Honorarpolitik entscheidend an der Entwicklung beteiligt war. Es
ist auch kein Einsparungspotenzial mehr da, es sei denn in der Bürokratie. Je
weniger MITTEL die Basis bekommt, und da je weniger für die ärztliche Aufgabe,
desto insuffizienter wird die Versorgung von 90% der
Erkrankten (das ist nämlich der Anteil für die Allgemeinmedizin). Ein rein
strategisches Problem. Die Basis verliert an Effizienz in den 3 Bereichen und
damit an Vertrauen. Das ist der wahre Grund für Doppelbefundung
und Überlastung der Spitzenmedizin (die Eurofighter der Medizin, die wir aber
alle wollen).
Wir
brauchen ELGA nicht, wir haben bereits die Allgemeinmedizin als Fach.
Lebensbegleitende Gesundheitsdokumentation ist ihre Aufgabe.
Längsschnittmedizin als Fach!
Wem nützt
ELGA?
Ich nehme
stark an, den Psychotherapeuten. Sicher auch nicht schlecht. Vergleichbar mit
den Kursen beim AMS. Eine Schulung und Begleitung der von einem mehr und mehr
anonymen bürokratisierten Medizinsystem in ihren Sorgen und Ängsten allein
gelassenen Bevölkerung.
Aber wer
macht die Arbeit im somatischen Bereich? Jedenfalls stehen genügend gewerbliche
Berater zur Verfügung, die das esoterische Bedürfnis abdecken.
Wir werden
jedenfalls gut beraten sein, mit Wissenschaft und Fachgesellschaften, die
international vernetzt sind, zusammen zu arbeiten. Damit sollten wir vor allem
bald beginnen, weil die Bürokratie schon jetzt erhebliche Ressourcen bindet.
Angst
verlangt nach Sicherheit. Vertrauensverlust kostet Geld. Vertauen
ist gut - Kontrolle ist teurer. In einem für die Bevölkerung im Vergleich zur
Gesundheit weniger wichtigen Bereich leisten wir uns mehr für unsere
Sicherheit. – Immer not-wendig? Machen wir im
Gesundheitswesen nicht analoge Fehler. Investieren wir in vertrauensbildenden
Maßnahmen, würdige Honorare und haben wir den Mut zu großzügigen Reformen.
Entwickeln wir doch ein Listensystem zur Sicherung der ärztlichen Infrastrukur, in der dann auch gewisse soziale Kompetenzen
integriert werden könnten. Damit hätte man auch die Basis lebensbegleitender
Dokumentation automatisch vernetzt. Diese Systeme sind international üblich und
unser derzeitiges System der Basisversorgung ist im Ausland nicht unbedingt
angesehen. Ein Gesundheitswesen kann man nicht alleine am Zugang zur
Spitzenmedizin und ihren Leistungen messen, auch wenn wir darauf stolz sein
können.
Ein Vorschlag:
Ein Arzt
versorgt 800 bis 2000 Personen und schließt sich mit 2-3 Kollegen zu einer
Versorgungseinheit zusammen, der auch soziale Berufe zugeordnet sein sollten.
Dieses bottom up Modell wäre vertrauensfördernd
und zumindest urban bleibt der wettbewerb erhalten.
Ich will
das gar nicht weiter ausführen. Es gibt viele Möglichkeiten, unser
Gesundheitswesen persönlicher gestalten können, aber ohne Ärzte geht das sicher
nicht.
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