Version vom 26.11.2006:
Von der Kommission der
Europäischen Union wurde im Jahr 2004 die Mitteilung "Elektronische
Gesundheitsdienste - eine bessere Gesundheitsfürsorge für Europas Bürger:
Aktionsplan für einen europäischen Raum der elektronischen
Gesundheitsdienste" vorgelegt. In diesem so genannten E-Health-Aktionsplan
wurden die Mitgliedstaaten u.a. aufgefordert,
Entwicklungsperspektiven für den Einsatz von Informations- und
Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen festzulegen.
Dieser Empfehlung Folge
leistend wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Elektronischen Gesundheitsakt
im Gesundheitstelematikgesetz definiert. Das Gesundheitstelematikgesetz ist Teil des
Gesundheitsreformgesetzes 2005 und ist seit 1. Jänner 2005 in Kraft.
Das Gesundheitstelematikgesetz
enthält in seinem ersten Teil Regelungen zur Verbesserung der Datensicherheit
beim elektronischen Transport von Gesundheitsdaten (Sicherstellung der
Vertraulichkeit, der Unverfälschbarkeit und
Nachvollziehbarkeit von Kommunikationsvorgängen), in seinem zweiten regelt es
die Bereitstellung
von Informationen und Diensten, die im Hinblick auf den Einsatz
moderner Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen von
grundsätzlicher Bedeutung sind.
Das Gesetz hat die Arge Daten zu einer scharfen ablehnenden Haltung veranlasst.
Deren Sprecher Hans G. Zeger, Mitglied des
Datenschutzrates stellt unter anderem fest: 'Die Vielzahl missglückter Reformvorhaben zum
äußerst sensiblen Bereich Gesundheit drängen zentrale Tatsachen der
Arzt-Patienten-Beziehung immer mehr in den Hintergrund. Eine Krankenbehandlung
ist eine höchstpersönliche Vertrauensangelegenheit
zwischen dem Patient und einem bestimmten Arzt seiner Wahl. Dieser Arzt ist
persönlich für die Behandlung verantwortlich und unterliegt persönlich dem
Ärztegeheimnis. Selbst die Datenweitergabe an 'Kollegen' oder andere
Gesundheitseinrichtungen bedarf der Zustimmung des Patienten.'
Es wird von der
Arge Daten kritisiert, daß die Debatte über
medizinische Datenspeicherung von technokratischen Aspekten beherrscht wird und
über technisch machbares und nicht gesundheitspolitisch Wünschenswertem
diskutiert werde.
Zeger stellt
in einem sog Votum seperandum zum Gesetzesentwurf
fest: Durch
das Fehlen jeglicher Kontroll- und Informationsmechanismen sind die Betroffenen
nicht mehr in der Lage festzustellen, wer auf die Gesundheitsdaten überhaupt
zugreifen darf und wer tatsächlich aus welchen Gründen zugegriffen hat. Durch
den weit gefassten Begriff der Gesundheitsdiensteanbieter
erhalten auch Gruppierungen Zugriff auf diese Daten, bei denen nicht das
Heilungsinteresse an oberster Stelle steht. Durch das Fehlen einer
vollständigen Dokumentationspflicht aller Datenübermittlungen (wer hat warum
welche Gesundheitsdaten abgefragt) kann der Patient nicht einmal im Nachhinein
feststellen lassen, wer seine Gesundheitsdaten erhalten hat.
Gerade die letzten
Entscheidungen der Datenschutzkommission zeigen dramatisch, dass immer mehr
Datenverarbeiter verschiedene Lücken im Datenschutzgesetz ausnutzen, um die
Herkunft und die Weitergabe von Daten zu verschleiern. Das Gesundheitstelematikgesetz
hat in keinster Weise auf diese Lücken reagiert.
Wer tatsächlich in der
Liste der Gesundheitsdiensteanbieter enthalten ist
wird vor der Öffentlichkeit und den Patienten geradezu in geheimbündlerischer
Weise verborgen.
Abschließend stellt Zeger fest: Die Vorstellung durch ungehemmten Austausch
medizinischer Daten bessere Behandlungen zu erreichen ist eine Illusion.
Tatsächlich sind viele medizinische Informationen nur sehr kurzzeitig gültig
und kontextbezogen.
Höchstens für die
Analyse von Zeitreihen bei einzelnen Krankheiten sind alte medizinische
Rohdaten verwertbar. Das bisher angewandte System der Arztbriefe und
kollegialen Konsultation erweist sich als höchst effizient, da damit der
Befundausstellende Arzt gezwungen wird, sich auf die wesentlichsten Merkmale
und Aspekte zu konzentrieren. Bei komplexeren Fragestellungen werden jedoch
durch die kollegiale Konsultation nicht bloß Daten von einer medizinischen
Einrichtung zur anderen transportiert, wie es das Gesundsheitstelematikgesetz
vorsieht, sondern in der Konsultation auch ein Informations- und
Wissensaustausch stattfindet, der auch zu völlig neuen Aspekten führen kann.
Der bloße Datenaustausch, wie er im Telematikgesetz
geregelt wird, stellt dabei nur einen untergeordneten technischen Nebenaspekt
dar.
Zur konkreten Umsetzung des
Gesetzes wird unter Leitung des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen
und unter Mitwirkung der Firma ADV (Arbeitgemeinschaft für Datenverarbeitung)
die österreichische E-Health Initiative (EHI)
gegründet, die aus zahlreichen ExpertInnen bestehend,
den Entwurf für eine österreichische E-Health
Strategie entwickelt, und in der 1.e-health Konfernz
am 2.12.2005 der Öffentlichkeit vorlegt: e-Health-Initiative - Ergebnisse der 1. eHI-Konferenz
Es wird in diesem
42 Seiten starken Papier eine Roadmap mit der klaren Zielsetzung
vorgelegt, eine umfassende Datenbank mit allen relevanten Gesundheitsdaten der BürgerInnen dieses Landes aufzubauen. Die EHI (eHealth Initiative), die besonders darauf hinweist, daß die in Ihr tätigen ExpertInnen,
dies auf freiwilliger Basis tun, und in der drei der sieben Arbeitskreise von FirmenmitarbeiterInnen (IBM, Siemens, SAP Österreich)
moderiert werden betreibt intensiv Lobbying für die raschestmögliche und umfassenste
Realisierung von e-Health. Sie definiert ihre Vision
folgendermaßen:
e-Health ist
ein integriertes Management der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger mittels
Information und Kommunikationstechnologie zur Unterstützung der Prozesse aller
Akteure im Gesundheitswesen unter besonderer Berücksichtigung des Datenschutzes
und der Datensicherheit. Bis 2015 werden den berechtigten Personen die
wichtigsten Gesundheitsdaten ebenso wie aktuelles medizinisches Wissen orts-und zeitunabhängig in einer optimal aufbereiteten Form
zur Verfügung stehen.
Dem Kapitel Datenschutz sind in
dem Strategieentwurf insgesamt 8 Zeilen gewidmet. Einen Arbeitskreis, der sich
mit Fragen nicht nur der Datensicherheit sondern auch den entsprechenden
gesetzlichen Bestimmungen des Ärztegesetzes (§ 54) hinsichtlich der ärztlichen
Verschwiegenheit befaßt, gibt es nicht.
Schließlich verweisen die
Autoren bei der entscheidenden Frage, wer nun die berechtigten Personen (Gesundheitsdiensteanbieter) sein werden, die Zugang zu
intimsten Daten der BürgerInnen haben werden lapidar
auf gesetzliche Maßnahmen, die sicherstellen sollen, daß
die Informationsautonomie beim Patienten verbleibt.
Die Organisation der Liste der sogenannten Gesundheitsdienstanbieter wird vom Gesundheitsminsterium übernommen. Es wird der eHealth
Verzeichnisdienst in Betriebe genommen, der sein Ziel
folgendermaßen definiert:
Der eHVD
ist ein Verzeichnis der Gesundheitsdiensteanbieter
(GDA) samt deren Rollen. Primäres Ziel des eHVD ist
es, den einzelnen GDAs Identität und Rolle für die
elektronische Kommunikation mit Gesundheitsdaten zu bestätigen und dadurch die
Datensicherheit anzuheben.
Ferner wird durch den eHVD die Voraussetzung für einen der Rolle entsprechend
qualifizierten Datenzugriff im Rahmen eines künftigen Gesundheitsportals geschaffen.
Im Zuge der europäischen und internationalen Zusammenarbeit soll der eHVD auch als Ausgangsbasis für den gesicherten,
staatenübergreifenden Datenaustausch dienen.
Ausgestattet mit einem
gesetzlichen Rahmen und einer organisatorischen Struktur wird bereits eifrig an
der ELGA gearbeitet. Sie soll zahlreichen Akteuren Nutzen und Gewinn bringen.
Es sind dies: der Hauptverband der Sozialversicherungen, der mit der ELGA den
Kostenspardruck erhöhen will (Mehrfachbefundungen, Guidelines.), die Privatversicherungen, die mit umfassenden
Informationen Risikominimierung betreiben können, Gesundheitsökonomen und
Epidemiologen Hersteller und Vertreiber aller Art vom medizinischen
Bedarfsartikel (Medikamente.), die auf Basis exakter Analysen ihr Marketing optimieren
können Hersteller von Soft und Hardware sowie IT Technologie im weitesten Sinne
(siehe Telekom) Arbeitgeber, die Mitarbeiter gezielt auswählen, oder
rechtzeitig vor dem Entstehen von Ansprüchen entlassen können ÄrztInnen und GesundheitsarbeiterInnen,
die ihre Anamnese auf eine große Menge dokumentierter Ereignisse basieren
können PatientInnen, die die Verantwortung über
Befunde und Gesundheitsinformation (Impfungen) deligieren
können.
Es gibt bereits mehrere
Subbereiche, in denen Datenbakstrukturen bereits realsiert bzw im Einsatz sind.
Dies sind z.b.
§
das med.archiv
(Web online Krankenakt) im Krankenanstaltenverbund Wien,
§
das eVGA,
das elektronsiche Verzeichnis der
Gesundheitsdienstanbieter der Österreichischen Ärztekammer in Zusammenarbeit
mit der NÖ Ärztekammer, oder
§
das KIS (Klinisches
Informationssystem der Tiroler Landeskrankenanstalten
ÄrztInnen und
alle im Gesundheitsbetrieb arbeitenden Menschen werden diejenigen sein, die den
elektronischen Gesundheitsakt mit Informationen füllen.
Letztendlich ist es eine politische
Frage, ob und in welchem Ausmaß der Gesetzgeber die ÄrztInnen
zwingen wird, Gesundheitsdaten preiszugeben. Er kann dies bei den KassenvertragsärztInnen und den öffentlichen
Krankenanstalten über eine, an eine umfassende Dokumentation geknüpfte Honorierung
tun - wie er es mit LKF, der Gesundenuntersuchung neu oder etwa mit Sanktionen
bei nicht dokumentierten Medikamentenverordnungen versucht.
Bei steigendem Zwang wird dies
zur massiven Abschreckung bei PatientInnen führen,
etwa über, für Versicherungen oder Dienstgeber relevante Probleme, zu sprechen.
ÄrztInnen, die das, von den Patienten in sie gesetzte Vertrauen ernst nehmen, werden gezwungen, eine
getrennte, zweite, geheime Kartei zu führen. Die weitergeleiteten Informationen
werden so dürftig oder falsch sein (siehe Alkoholfragebogen bei der
Gesundenuntersuchung neu), so dass weitere nutzlose Datenfriedhöfe entstehen.
Daneben wird der, dem Zugriff staatlichen Datenhungers entzogene Bereich
privater ärztlicher Versorgung, von denjenigen Menschen (soferne
sie es sich leisten können) bevorzugt frequentiert werden, die keinerlei
Interesse haben, dass ihre persönlichsten Daten unkontrollierbar in Datennetzen
vagabundieren. Es entsteht der Kostenfaktor "Vertraulichkeit"
Der elektronische Gesundheitsakt
wird zu einem Prüfstein dafür werden, welchen Stellenwert Persönlichkeitsrechte
in einem Klima der Hegemonie des Machbaren haben. Sosehr der Wunsch auch von ÄrztInnen, sich ein möglichst genaues und umfassendes Bild
der PatientInnen zu verschaffen dazu reizt, in der
Vernetzung und Sammlung größtmöglicher Datenmengen ungeahnte Möglichkeiten zu
sehen muß allen Beteiligten klar sein, dass jede, in
ein Datennetz entlassene Information veröffentlicht ist! Diese Veröffentlichung
hat der/die Arzt/Ärztin gegenüber seinen/ihren PatientInnen
sowie gegenüber dem Gesetzgeber (§ 54 Ärztegesetz) zu verantworten.
Download: Präsentation ELGA (pdf)
Dr.Franz
Mayrhofer