è ORF Konkret   Manuskript     29. September 2008                                                                                                                                                               zurück

 

 

 

 

 

 




 

1)    NUTZEN DES PATIENTEN  / MEDIZINISCHE SINNHAFTIGKEIT

2)    FREIWILLIGKEIT FÜR BÜRGER ( PATIENTEN )  UND ÄRZTE

3)    KOSTEN/ FINANZIERUNG /   KOSTEN-NUTZENRELATION

4)    SCHUTZ DES PATIENTEN VOR DATENMISSBRAUCH
   (->  GEFAHR:  DATENMISSBRAUCH  DURCH BERECHTIGTE !)

5)    WÜNSCHE / ANREGUNGEN




1)   NUTZEN DES PATIENTEN  / MEDIZINISCHE SINNHAFTIGKEIT

Als Ärzte wissen wir, dass es sich oft lohnt, in zukunftsweisende Technologien zu investieren.  Übersteigen aber die Kosten einer Innovation mittel- und langfristig ihren Nutzen, wie es dzt.  bem „ELGA“ der Fall zu sein scheint, dann nehmen wir von weiteren Investitionen Abstand. Das gebietet allein der betriebs- und volkswirtschaftliche Sachverstand.

Als Ärzte trachten wir  effektive, effiziente und individuelle Lösungsstrategien zu erarbeiten.  „ELGA“ in der geplanten Form ist aber  in erster Linie auf die Bedürfnisse der Verwaltung, nicht jedoch auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten zugeschnitten.

Als Ärzte müssen wir die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, dass die Einführung des „ELGA“ nur sehr begrenzten  medizinischen Vorteil bietet.

Die vermeintlichen Vorteile
des ELGA entpuppen sich bei näherer Betrachtung als inhaltsarme  Marketingversprechungen der Verwaltung zur Steuerung von Einsparungsmassnahmen und wirtschaftliche Interessen der Elektronik- Industrie mit der Aussicht auf Milliardenumsätze.

Die oft zitierten „Notfalldaten“ bieten keinen wirklichen Vorteil. In echten Notsituationen sind schnelle, symptombezogene Untersuchungen und Entscheidungen lebenswichtig - dazu ist der „ELGA“ überflüssig.  Bestimmte Notfalldaten, etwa die Blutgruppenzugehörigkeit, müssen ohnehin immer neu verifiziert werden.

Es liegen keine validen Daten über Umfang, Ausmaß und Bedeutung von Doppeluntersuchungen vor. Die behaupteten Effizienzreserven lassen sich derzeit nicht belegen.

 

Moderne Praxisverwaltungssysteme prüfen Verordnungen seit vielen Jahren auf Wechselwirkungen und Risiken bei der Behandlung mit Arzneimitteln und vermeiden unnötige Doppeluntersuchungen.

Der mit dem elektronischen Rezept und der elektronischen Überweisung einhergehende „Effizienzgewinn“ dient alleine der Verwaltung, behindert jedoch in der täglichen medizinischen Realität die Abläufe und steigert den Zeitaufwand in den Praxen und Spitälern enorm,  Zeit die erforderlich wäre den Patienten umfassend zu beraten.

Patienten erhalten in Wirklichkeit einen zweiten Körper: einen  Datenkörper.
Dieser Datenkörper wird von Verwaltungsangestellten und Technikern „gepflegt“ und ausgewertet.  Patienten und ihre Behandler werden dadurch entmündigt und zu Objekten der Verwaltung.

Alternative Kommunikations- und Kooperationsformen lassen sich zwanglos auch ohne staatliche ELGA durch eine konsequente Weiterentwicklung  unter Einbindung der vorhandenen Strukturen erreichen. 
( gerichtete Datenübertragung  zwischen anforderndem und befundenden Arzt, idealerweise im Rahmen eines „Dänischen Hausarztmodells / Hausarzt als „Casemanager“,  Abfrage mit  nachgewiesener Genehmigung durch den  Patienten : „STUFENMODELL „   www.stufenmodell.at  in Wien)

 

2) FREIWILLIGKEIT FÜR BÜRGER ( PATIENTEN )  UND ÄRZTE:

Wir Ärzte sind  uns der Möglichkeiten und des Nutzen richtig eingesetzter EDV bewußt. Schon heute ist es möglich daß  Patienten , wenn sie dies wünschen, ihre Krankenakten zum persönlichen Gebrauch digitalisieren;  genügend private Anbieter sind schon vorhanden bzw. im Entstehen.

ELGA als staatliche „Elektronische Gesundheitsakte“ sollte für alle Österreicher obligat  – also „zwangsweise“  eingeführt werden, erst erst der Widerstand der betroffenen Bürger und Ärzte hat zu einem Umdenken geführt

Mit der geplanten „ELGA“ sollte eine Struktur geschaffen werden,  die vor allem den staatlichen Verwaltern bei politisch verordneten Leistungskürzungen und deren Kontrolle in Echtzeit („online“) Nutzen bringen würde,  während das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis und  state-of-the-art – Behandlungen durch dirigistische Einflussnahme untergraben werden wird. Schon heute beeinträchtigt überbordende Verwaltungs- und Bewilligungs-Bürokratie ganz stark die die ärztliche Behandlungsqualität (z.B.   ABS – Arzneimittel bewilligungs- system).

Die zentrale Verarbeitung intimer Daten durch Institutionen (Kassen, Arbeitgeber, Versicherungen) ist aus  ärztlcher Sicht  nicht wünschenswert und notwendig.

Noch haben wir im Bereich sozialen Krankenversicherungs eine „Pflichtversicherung“    und keine „Versicherungsplicht“ mit der Notwendigkeit eines „Risikostrukturausgleiches“ wie z.B. in Deutschland, private Krankenversicherungsträger zeigen aber heute schon den Weg wo dies hinführt:

Die finanzielle Situation der p
rivaten Krankenversicherungen hängt  stark von ihrer Versichertenstruktur ab. Damit hätten diese ein ausgeprägtes Interesse, bestimmte Versicherte in ihren Beständen zu haben, andere hingegen nicht - sie würden mit anderen Worten versuchen, Risikoselektion zu betreiben, oder sich zumindest Tendenzen der Versicherten zur Selbstselektion zunutze machen.

 Kassen und Politik wollen die Bürger mit Hilfe der elektronischen Gesundheitskarte und des digitalen Rezeptes in Risikoklassen einteilen. Diese werden den Menschen ein Leben lang anhaften und es verhindern, dass Patienten mit bestimmten Erkrankungen oder Anlagen ein Versicherungsverhältnis erlangen. Dabei interessiert es auch niemanden, dass hier wieder ein gigantischer Bürokratieschub entsteht.

3)   KOSTEN/ FINANZIERUNG /   KOSTEN-NUTZENRELATION

Bisherige Kostenschätzungen sehr unpräzise:     je nach Quelle:
ARGE ELGA:  30 Millionen für Portal und Kernanwendungen der 1. Phase
Ärztekammer:  3 Milliarden ->    ???
Investitions- und Betriebskostenabgeltung für die „GDA“`s
 
(Gesundheitsdiensteanbieter: z.B.  Ärzte, Apotheker, Spitäler, etc.)  
darin enthalten ?? 


Wahrheit vermutlich irgendwo dazwischen !?:   dzt. (Sommer 2008) :  geschätzte Kosten 135 Millionen Euro;

Beachtung der Folgekosten:
Hard- und Software, Administration, Wartung, Betrieb, etc.
(z.B.  Identity-Management-System ! : ca. 100.000  Zugriffs-Berechtige !)

Dr. Grauduszsus/Deutschland,  Präsident Freie Ärzte in Deutschland:   „Für die Industrie wird ein neuer Markt geschafft. Ich sehe Konzerne, die anderweitig gerade mit Korruptionsskandalen kämpfen, hoch engagiert am Werk. Es ist ein Milliardengeschäft. tausende Arbeitsplätze sollen entstehen. Wenn’s denn wirklich stimmen sollte: Vorher werden die in der Gesundheitsversorgung abgebaut, sonst ist das nicht zu finanzieren.  Weg mit Ärzten, Krankenschwestern, Physiotherapeuten und anderen so genannten "Leistungserbringern" – her mit der digitalen Patientenbetreuung. Das kann es doch wirklich nicht sein“.

4)   SCHUTZ DES PATIENTEN VOR DATENMISSBRAUCH
   (->  GEFAHR:  DATENMISSBRAUCH  DURCH BERECHTIGTE !)

Es ist erforderlich, die systemimmanenten Risiken (Datenschutz, Kosten/Nutzen-Relation) dieser besonders sensiblen Daten von Anfang an in alle Überlegungen einzubeziehen, insbesondere der Mißbrauch durch Berechtigte. (wie genügend Beispiele aus anderen Bereichen zeigen)

Die Informationen über ihren Gesundheitszustand liegen seit Jahrhunderten in der Hoheit der Patienten selbst. Sie werden im Zuge ärztlicher Maßnahmen in Treuhand der Ärzte gegeben. Außer von Patienten und ihren Ärzten dürfen diese Informationen nirgendwo gespeichert und damit einem Missbrauch preisgegeben werden.

Der individuelle Datenbedarf muss im Einvernehmen zwischen Arzt und Patient definiert werden. Die strafrechtlich geschützte, ärztliche Schweigepflicht darf nicht ausgehöhlt werden ! Patienten und Ärzte müssen gemeinsam die Hoheit über ihre Daten behalten.

Der Schutz der Daten vor unberechtigten Zugriffen ist nur begrenzt möglich, so dass aus dem scheinbaren Vorteil der informationellen Selbstbestimmung schnell der Nachteil der informationellen Fremdbestimmung wird.


Mit der geplanten „ELGA“ wird eine Struktur geschaffen,  die ausschließlich den Verwaltern von Daten Nutzen bringen wird,  während das vertrauensvolle Arzt-Patienten-Verhältnis durch dirigistische Einflussnahme untergraben werden wird.

Die geplante Struktur wäre ein Dammbruch in dieser Tradition, die ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis überhaupt ermöglicht.

Beispiel Privat - Krankenversicherungen: stellen explizit fest:
„Der Datenschutz stellt auch die Weitergabe von Informationen an die private Krankenversicherung in Frage. Wieder wird die Angst vor Missbrauch als Begründung angegeben. Allerdings würde die Unterbindung von Informationen an die Versicherungsunternehmungen den Abschluss von Versicherungsverträgen in Frage stellen und die Erbringung von Leistungen im Krankheitsfall erschweren und vielfach unmöglich machen. Im Endeffekt bedeutet der verschiedentlich angestrebte totale Datenschutz die Verhinderung einer privaten Krankenversicherung“

Ärzte heilen.    Daten alleine heilen nicht !

 

5)   WÜNSCHE / ANREGUNGEN:

è  Medizin ist Heilkunst, kein Verwaltungsakt !

è  Bürokratieabbau !

è  Ermöglichen der Rückkehr  zu unseren Kernkompetenz:   Medizin !

è  Vermehrte Einbindung der Betroffenen (Bürger und „GDA“`s)


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