An: alle Niedergelassenen ÄrztInnen |
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Von: Kurie niedergelassene Ärzte |
Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege !
Die Entwicklungen der vergangenen Tage und Wochen haben unsere Befürchtungen
und Warnungen leider mehr als bestätigt. Bekanntlich haben die
Wirtschaftskammer und der ÖGB ein sogenanntes Sanierungspapier für die
Krankenkassen erarbeitet, das derzeit auf politischer Ebene behandelt und mit
aller Gewalt von den Protagonisten noch vor dem Sommer durchgepeitscht werden
soll.
Schon
seit Jahren versucht die Gesundheitspolitik beharrlich, das europaweit
anerkannte österreichische Gesundheitssystem zu zerstören:
Für uns ÄrztInnen sind die ständigen Zumutungen seitens der Gesundheitspolitik
nicht neu. Das Sanierungspapier der Sozialpartner stellt allerdings alle
bisherigen Vorstöße an Monströsität in den Schatten. Man versucht derzeit von
Seiten der Sozialpartner, den Sanierungsauftrag zu einer Entmachtung und
Enteignung des ärztlichen Berufsstandes abzuändern. Noch bevor die von der
Gesundheitsministerin seit Langem in den Raum gestellte Gesundheitsreform
durchgeführt wird, die frühestens diesen Herbst zu erwarten ist.
Im Einzelnen:
1. Ärzte-Dumping:
Abschaffung des kollektiven Verhandlungssystems für Kassenärzte
Der zwischen Kasse und Kammer abgeschlossene ärztliche
Gesamtvertrag regelt vor allem die den KassenärztInnen zu zahlenden Tarife und
Arbeitsbedingungen. Dieser Gesamtvertrag wurde vor gut 50 Jahren als
Gegengewicht zum damals durch das ASVG eingerichteten Monopol der gesetzlichen
Krankenversicherung eingeführt. Man war sich bewusst, dass man keine fairen
Vertragsverhandlungen erreichen kann, wenn die Kasse als Monopolanbieter sich
jene Ärzte aussuchen kann, die am billigsten für sie arbeiten.
Die Kasse hätte es nach den Vorstellungen der Sozialpartner
in Zukunft jederzeit in der Hand, die derzeit bestehenden Kassenverträge durch
neue Direktverträge mit billigeren Leistungserbringern auszutauschen!
2. Schwerkranke
unerwünscht? Befristete Neuverträge mit Ökonomieauflagen
Neuverträge sollen in Zukunft nur mehr befristet vergeben
werden. Die Verlängerung von Verträgen wird vom Nachweis von
Qualifizierungsmaßnahmen abhängen, vor allem aber auch vom ökonomischen
Wohlverhalten des Arztes, was Eigen- wie auch veranlasste Fremdleistungen
anlangt. Dass damit jeder Schwerkranke für den betroffenen Kassenarzt zum
Existenzrisiko wird, stört etwa den so genannten Patientenvertreter Bachinger
nicht, der diesen Vorschlag ausdrücklich begrüßt hat.
3.
Wahlarztkosten-Rückerstattung neu: Abschaffung wird diskutiert
Mit der Möglichkeit für die
Kassen, jederzeit den Gesamtvertrag durch Direktverträge zu ersetzen, ist die
Vorstellung verbunden, auch die Zahl der niedergelassenen KassenärztInnen zu
"redimensionieren". Damit diese Intention nicht unterlaufen werden
kann, ist ausdrücklich eine Neuordnung der Wahlarztkosten-Rückerstattung vorgesehen.
Hinter vorgehaltener Hand wird die gänzliche Abschaffung des Rückersatzes
verlangt.
4. Weniger Geld für
Spitäler: Kassenleistungen werden eingefroren
Die Spitalsreform Mitte der 90er-Jahre hat die Kassen zum
Schaden der Länder deutlich von den Spitalskosten entlastet. Seither bezahlen
die Kassen für Spitalsbehandlungen nur noch eine Pauschale, dessen Höhe an die
Steigerungen ihrer Beitragseinnahmen gebunden ist. Auch diese Valorisierung
soll in Zukunft wegfallen, und so die Finanzierungsgrundlage der Spitäler noch
schlechter werden.
5. Verantwortung ohne
Handlungsspielraum: Aut-idem-Verschreibung
Künftig sollen KassenärztInnen nur mehr Wirkstoffe und keine
Medikamente mehr verschreiben. Der Apotheker wäre dann verpflichtet, ein
möglichst billiges Medikament auszuhändigen. Unsere Hinweise, was das für die
Compliance, vor allem älterer Patienten, bedeutet, werden weggewischt.
Perfiderweise wird aber nicht nur verlangt, dass die ÄrztInnen für Medikamente
Verantwortung übernehmen, die sie gar nicht mehr verschreiben. Die ÄrztInnen
sollen auch weiterhin für die Entwicklung der Arzneimittelkosten zur
Verantwortung gezogen werden!
6.Neuorganisation im
Hauptverband und in den Krankenkassen
In Zukunft soll es praktisch bei allen Entscheidungen
Parität zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern geben. Die
Geschäftsziele der einzelnen Kassen werden zukünftig zentral vom Hauptverband
vorgegeben. Zwei Geschäftsführer mit befristeten Verträgen sollen in jeder
Gebietskrankenkasse vorstehen. Ihre Vertragsverlängerung hängt davon ab, ob sie
die vereinbarten (Einsparungs-)Ziele einhalten.
Im sogenannten Sanierungspapier wird vorgerechnet, dass
allein bei den KassenärztInnen EUR 160 Mio. eingespart werden können.
Es geht also um nichts anderes, als das derzeitige bewährte System krank zu
sparen und utopische Sparziele zu erreichen.
Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege,
wir sind es nicht nur der Existenzsicherung unseres Berufsstandes, sondern
insbesondere auch unseren Patientinnen und Patienten sowie der gesamten
Bevölkerung schuldig, die Umsetzung dieses Papiers und damit das Kranksparen
der österreichischen Gesundheitsversorgung zu verhindern! Wir werden dies nur
durch ein gemeinsames entschiedenes Auftreten erreichen und dürfen jetzt
keinesfalls vor Kampfmaßnahmen zurückschrecken. Wir ersuchen Sie deswegen, sich
mental auch auf kurzfristige Protestmaßnahmen einzustellen. Derzeit versuchen
wir noch in Verhandlungen den Vorschlägen die Zähne zu ziehen. Sollte dies
jedoch scheitern, weil man - und so sieht es derzeit aus - nur
Scheinverhandlungen führt, so werden wir auch kurzfristig zu Protestmaßnahmen
aufrufen.
PatientInnen-Begehren:
Das PatientInnen-Begehren ist am Mittwoch, den 30. April
2008 offiziell ausgelaufen. Je rascher Sie uns Ihre Unterschriftenlisten
übermitteln bzw. in der Ärztekammer für Wien vorbeibringen, desto eher können
wir die Möglichkeit nutzen, diese der Bundesregierung zu übergeben. Bitte
senden Sie uns deshalb ihre Listen so bald wie möglich! Wir bedanken uns schon
jetzt bei Ihnen für die vielen gesammelten Unterschriften und die vielen
unterstützenden E-Mails. Wir sind stolz, einen derart geschlossenen und
verantwortungsbewussten Berufsstand vertreten zu dürfen, und werden uns mit
allen verfügbaren Mitteln gegen jene zur Wehr setzen, die das zerstören wollen.
Mit kollegialen Grüßen
Ihre Kurie der niedergelassen Ärzte
Ärztekammer für Wien, 1010
Wien, Weihburggasse 10-12, Tel. 01 51501 0, aekwien@aekwien.at,
www.aekwien.at
Ärztekammer für Wien
1010 Wien, Weihburggasse 10-12
www.aekwien.at
Tel. 01 51501 0
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